Öffentliche Vorträge

27.10.2023: 18.00 Uhr | Stadthalle
Amtsstr. 8 | 56377 Nassau

Öffentlicher Abendvortrag


Prof. Dr. Karl-Rudolf Korte
Institut für Politikwissenschaft, Universität Duisburg-Essen
Direktor der NRW School of Governance


zum Thema


Veränderung – Regieren und Wählen nach der Zeitenwende

 

Der Begriff der Zeitenwende ist seit der Regierungserklärung von Bundeskanzler Olaf Scholz vom 27.2.2022 als Reaktion auf den Einfall Russlands in die Ukraine fraglos eine der am häufigsten verwendeten, modischer Weise überhöhten politischen Vokabeln der Gegenwart. Derartige Umschlagpunkte der Geschichte gab es freilich auch früher schon. An der Lahn, in Bad Ems und Nassau, lässt sich das besonders intensiv nachempfinden. In Nassau, dem Geburtsort des Freiherrn vom Stein, in das dieser nach der Niederlage Preußens gegen Napoleon 1806 und seiner Entlassung zu Beginn des Jahrs 1807 zurückkehrte, steht der von Stein in späteren Jahren im Gedenken an den Sieg in den nachfolgenden Befreiungskriege errichtete Freiheitsturm, und in Bad Ems erinnert ein Statue des damaligen König Wilhelm von Preußen an einen Vorgang („Emser Depesche“), der mittelbar zum deutsch-französischen Krieg und in der Folge zur Gründung des Deutschen Kaiserreichs führte. An diesen historischen Orten treffen sich Jahr für Jahr auf Einladung der Freiherr vom Stein-Gesellschaft mit Unterstützung der G. und I. Leifheit-Stiftung junge Führungskräfte, um sich ein Wochenende lang über aktuelle Fragen auszutauschen. Den Beginn der Veranstaltung markiert stets durch einen Abendvortrag, der auch der Öffentlichkeit zugänglich ist. In diesem Jahr war es der Politikwissenschafter Prof. Dr. Karl-Rudolf Korte, den der Präsident der Freiherr vom Stein-Gesellschaft, Prof. Dr. Hans-Günter Henneke, am 27.10.2023 gemeinsam mit dem Stellvertretendem Vorsitzendem der G. und I. Leifheit-Stiftung, Dr. Josef Peter Mertes, und dem Bürgermeister von Nassau, Manuel Liguori MdL, vor zahlreich erschienenem Publikum in der Nassauer Stadthalle empfangen konnte.

 

Korte, nicht zuletzt durch seine Wahlanalysen im ZDF bekannt, sprach über die Veränderungen, die es im politischen Systems Deutschlands nach der „Zeitwende“ gegeben hat. Eine dieser Veränderungen hatte sich erst wenige Tage zuvor mit dem Austritt von Sahra Wagenknecht aus der Partei DIE LINKE und der damit verbundenen Ankündigung, eine eigene, neue Partei gründen zu wollen, quasi in einem Paukenschlag manifestiert. Ob sich diese neue Partei dauerhaft etablieren wird und welche Stimmenanteile sie wird erzielen können, bleibt abzuwarten. Auf erheblichen Zuspruch stößt dagegen derzeit am rechten Rand des Parteienspektrums die AfD, deren Ergebnisse in den bayerischen und hessischen Landtagswahlen am Wochenende zuvor mit Zuwächsen um 4,4 auf 14,7 Prozent (Bayern) bzw. um 5,3 auf 18,4 Prozent (Hessen) ein deutliches Zeichen gesetzt hatten. Der große Verlierer dieser Wahlen ist dagegen die Berliner Ampel, deren Stimmenanteil in Bayern um 6,8 Prozent und in Hessen sogar um 12,2 Prozent gesunken ist.

 

Korte führte diese Verluste nicht zuletzt auf den Umgang der Koalition mit dem sog. „Heizungsgesetz“ zurück. Dadurch sei das Vertrauen in die Regierung, deren Krisenmanagement nach Kriegsbeginn auch deshalb so gut gelungen sei, weil die Koalitionsparteien im Sinne eines gelingenden und dynamischen Miteinanders vielfach über ihren eigenen Schatten gesprungen seien, nachhaltig gestört worden. Auch die derzeitigen politischen Antworten auf die Migrationsfrage stärkten die AfD.

 

Glaubt man Korte, so muss sich dieser Trend keineswegs fortsetzen. Die Deutschen seien „Extremisten des Normalen“. Sie neigten nicht dazu, polarisierenden Persönlichkeiten ihre Stimme zu geben, sondern setzten vielmehr auf verlässlich, wenig spektakuläre Verwalter der Macht sowie auf Kontinuität. Dass Scholz der „merkeligste“ der Kanzlerkandidaten war, habe ihm nicht geschadet, sondern genutzt. Auch jetzt noch dominierten mit weitem Abstand die Parteien der Mitte – eine Besonderheit des deutschen politischen Systems. Diese hätten es im Übrigen auch in der Hand, die AfD wieder zurückzudrängen. Dazu brauche es bspw. einer anderen Migrationspolitik und mehr Investitionen in Infrastrukturen. Auch die anstehenden Transformationsentscheidungen müssten nicht zu einer politischen Radikalisierung führen. Dazu bedürfe es aber Transparenz, besserer Erklärungen, fairer Lösungen und vor allem sei es erforderlich, die Mitte der Gesellschaft mitzunehmen – alles Aspekte, die bei der Erarbeitung des Heizungsgesetzes nicht ausreichend beachtet worden seien. Ob sich die Berliner Ampel von ihrer aktuellen Krise nochmals erholen werde, sei offen; insgesamt bestehe aber Anlass, mit großer Zuversicht auf die künftige politisch Entwicklung Deutschland zu blicken. Eine Zuversicht, das zeigten die durchaus kritischen Nachfragen aus dem Publikum, die derzeit nicht von jedem geteilt wird.[1]

Dr. Klaus Ritgen, Berlin



[1] Eine ausführlichere Dokumentation des Vortrags ist in Vorbereitung.

 

 

Der Vortrag bereitete den Boden für die Diskussionen der Teilnehmerinnen und Teilnehmer des 7. Nassauer Dialogs – dem Förderprogramm für Nachwuchs-Führungskräfteder Freiherr-vom-Stein-Gesellschaft e.V. – an den beiden Folgetagen, die sich auf erforderliche Reformen im Bereich der Arbeitswelt fokussiert haben. Unter dem Titel "Arbeit der Zukunft – Zukunft der Arbeit" sollten ausgewählte und hochqualifizierte Young Professionals aus dem gesamten Bundesgebiet für aktuelle politische Fragen begeistert und in ihrem Engagement gefördert werden.

 

 

Zur Person:

Karl-Rudolf Korte
Karl-Rudolf Korte (Quelle: karl-rudolf-korte.de)

Univ.-Prof. Dr. Karl-Rudolf Korte wurde zum Dr. phil. an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz promoviert und habilitierte sich zum Dr. rer.pol.habil. an der Ludwig Maximilans-Universität München. 1998 erhielt er den Preis der Universität München für die beste Habilitationsschrift. Vertretungsprofessuren in Trier, Köln und München.

 

Der 64-jährige Familien- und Großvater ist seit 2003 Professor für Politikwissenschaft an der Universität Duisburg-Essen im Fachgebiet "Politisches System der Bundesrepublik Deutschland". Rufe 2008 an die Universitäten nach Bonn und 2013 nach München konnte er ablehnen.


2006 wurde er zum "Professor des Jahres" in der Kategorie Geistes-, Gesellschafts- und Kulturwissenschaften durch das Fachmagazin UNICUM-Beruf ausgezeichnet.

 

Seit der Gründung im Jahr 2006 ist er Direktor der NRW School of Governance (Universität Duisburg-Essen). Von 2010 bis 2017 war er Dekan der Fakultät für Gesellschaftswissenschaften; von 2013 bis 2015 Vorsitzender der Deutschen Gesellschaft  für Politikwissenschaft. Er ist Mit-Herausgeber der "Zeitschrift für Politikwissenschaft. Journal of Political Science". Seit 2018 ist er ordentliches Mitglied der Europäischen Akademie der Wissenschaften und Künste (Salzburg). Seit 2021 ist er Vizepräsident des Deutschen Hochschulverbandes. Er leitet die international besetzten wissenschaftlichen Beiräte der Bundeskanzler Helmut Kohl-Stiftung sowie des Hauses der Geschichte NRW.

 

Einer breiten Öffentlichkeit ist Korte seit vielen Jahren durch regelmäßige Auftritte und pointierte Analysen im ZDF, Deutschlandfunk, WDR, Phoenix und dem SWR bekannt.

 

Aktuelle Publikationen:

"Gesichter der Macht. Über die Gestaltungspotenziale der Bundespräsidenten" 2019 (Frankfurt/New York, Campus)
"Coronakratie. Demokratisches Regieren in Ausnahmezeiten" 2021 (Frankfurt/New York, Campus)
"Heuristiken des politischen Entscheidens" 2022 (Berlin, Suhrkamp)
"Regieren in der Transformationsgesellschaft" 2024 (Wiesbaden, Springer VS)

Im Januar 2024 erscheint bei Campus seine Monographie: "Wählermärkte. Wahlverhalten und Regierungspolitik in der Berliner Republik".

Kontakt:

krkorte@uni-due.de
Instagram: krkorte
www.nrwschool.de
www.karl-rudolf-korte.de

Download PDF

AKTUELL

17. Hauptstadtgespräch am 5.2.2024
Podiumsdiskussion in Berlin
zur Leistungsfähigkeit der Kommunen
17. Hauptstadtgespräch am 5.2.2024 Podiumsdiskussion in Berlin zur Leistungsfähigkeit der Kommunen

Zusammenfassung liegt vor!
» mehr

Öffentlicher Abendvortrag
im Rahmen des 7. Nassauer Dialogs
am 27. Oktober 2023 in Nassau
Öffentlicher Abendvortrag im Rahmen des 7. Nassauer Dialogs am 27. Oktober 2023 in Nassau

Kurze Zusammenfassung liegt vor!
» mehr

7. Nassauer Dialog
vom 27.-29. Oktober 2023
in Nassau/Lahn

Dokumentation kann bestellt werden!
» mehr

16. Hauptstadtgespräch am 15.03.23
zum Thema Staatsverschuldung
mit Prof. Beermann + Prof. Büttner

Zusammenfassung jetzt verfügbar!
» mehr

Öffentlicher Abendvortrag
im Rahmen der Mitgliederversammlung
am 8. November 2022 in Selm

» mehr

Öffentlicher Abendvortrag
im Rahmen des 6. Nassauer Dialogs
am 14. Oktober 2022 in Nassau

» mehr

6. Nassauer Dialog
vom 14.-16. Oktober 2022
in Nassau/Lahn

» mehr

4. Nassauer Dialog vom 13.-15.9.19
Die digitale Zukunft der Arbeit
Organisation - Mensch - Ethik

» mehr

Virtueller Rundgang
zur Sonderausstellung
auf der Burg Vischering

» mehr

Öffentliche Podiumsdiskussion 2021
mit Prof. Dr. F. Kirchhof
R. Sager und Prof. Dr. Ch. Waldhoff

» mehr

13. Nassauer Gespräch
auf Gut Siggen, Ostholstein

» mehr

Öffentlicher Abendvortrag von 1983:
Zum verfassungsrechtlichen Status
des Bürgers im Staat des GG

» mehr

15. Hauptstadtgespräch am 13.10.22
zum Thema Kontrolle des ÖRR
in Berlin-Mitte

» mehr

Öffentlicher Abendvortrag
im Rahmen des 4. Nassauer Dialogs
am 13.9.2019 in Nassau

» mehr

5. Nassauer Dialog vom 8.-10.10.21
Zukunft der Medien
und politische Willensbildung

» mehr

Öffentliche Abendveranstaltung 2019
mit Franz Müntefering
und Prof. Dr. Ferdinand Kirchhof

» mehr

Podiumsdiskussion am 12.2.2019
Gleichwertige Lebensverhältnisse!
u.a. mit Finanzminister R. Hilbers

» mehr

13. Hauptstadtgespräch am 4.6.2018
Ein Heimatministerium ...
Chancen für die ländlichen Räume?

» mehr

Archiv Schloss Cappenberg:
Digitalisierung
der Briefe und Schriften

» mehr

12. Hauptstadtgespräch am 25.10.17
Für einen
zukunftsfähigen Föderalismus!

» mehr

9. Hauptstadtgespräch am 19.5.2016
Zukunftsgerechte Finanzarchitektur
Was ist zu tun?

» mehr

Öffentlicher Abendvortrag
von Rainer Bomba
am 14. September 2018 in Nassau

» mehr

Digitalisierung der Editionen
mit Briefen und Schriften:
"Alte" und "Neue" Stein-Ausgabe

» mehr

11. Hauptstadtgespräch am 28.3.2017
Geld für öffentliche Investitionen
Woher soll es kommen?

» mehr

11. Nassauer Gespräch
auf Gut Siggen, Ostholstein

» mehr

1. Nassauer Dialog 2015:
Prof. Dr. Wolfgang Böhmer

» mehr

1. Nassauer Dialog 2015
für Nachwuchs-Führungskräfte

» mehr

Öffentlicher Abendvortrag 2015:
Prof. Dr. Dietrich Budäus
3. Juli in Münster

» mehr

8. Hauptstadtgespräch am 9.02.2015
Dezentralität
als moderne Leitidee ...

» mehr

Diskussionsbeitrag 2014:
Hans-Günter Henneke

» mehr

Öffentlicher Abendvortrag 2014:
Erwin Teufel
10. Juli in Köln

» mehr

7. Hauptstadtgespräch am 24.03.2014
Bund, Länder und Kommunen -
für einen neuen Finanzausgleich

» mehr

Zu Besuch beim Freiherrn vom Stein
auf Schloss Cappenberg in Selm

» mehr

Öffentlicher Abendvortrag
im Rahmen des 5. Nassauer Dialogs
am 8.10.2021 in Nassau

» mehr

Podiumsdiskussion am 19.11.2013
in Kooperation mit dem
Landkreistag Sachsen-Anhalt

» mehr

6. Hauptstadtgespräch 19.03.2013
Wieviel Dezentralität verträgt
die Energiewende?

» mehr

10. Nassauer Gespräch

» mehr

5. Hauptstadtgespräch am 10.05.2012
Bildungsföderalismus
in der Finanzierungsfalle

» mehr

Publikation:
Der demografische Wandel

» mehr

Aktuelles POSITIONSPAPIER
von Dr. Klaus Ritgen

» mehr

Exklusiv-Angebote für Mitglieder:

» mehr

Anmeldung:
Mitglied werden!

» mehr

Öffentlicher Abendvortrag 2016:
Willi Kaczorowski
20.10.2016 in Bielefeld

» mehr

3. Nassauer Dialog
Digitalisierung und Arbeit 4.0
Format für Young Professionals

» mehr

14. Hauptstadtgespräch am 27.5.2019
mit den Staatssekretären beim Bund
Dr. Aeikens und Dr. Kerber

» mehr

12. Nassauer Gespräch
auf Gut Siggen, Ostholstein

» mehr

10. Hauptstadtgespräch am 7.9.2016
Gleichwertigkeit der
Lebensverhältnisse in Stadt u. Land

» mehr

2. Nassauer Dialog 2016
für Nachwuchs-Führungskräfte

» mehr

2. Nassauer Dialog 2016:
Prof. Markus Schächter

» mehr




Cookies:
Diese Webseite nutzt Cookies um unser Angebot nutzerfreundlicher, effektiver und sicherer zu machen. Weitere Informationen finden Sie in unserer Datenschutzerklärung.